By Holger Melms
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Ohne hier nachzuschlagen ist wie Essen ohne Messer und Gabel (und ohne Löffel)
Nordkapp von Osten gesehen, dahinter Knivskjellodden, der nördlichste Punkt
1993
1994
1997
2002
2003
2004
2005
2006
2007
 

Zweimal am wenig spektakulären Ziel

 

Zweimal? Ja, einmal per Bus über Land, einmal mit der PHINE zu Wasser.

Honningsvåg / Nordkapp von oben / Nordkapp von unten / Gjesvaer

 

Der gesamte Text dieses Kapitels wurde sofort 2003 in Havöysund geschrieben.
Meiner reservierten Einstellung zu diesem Touristik-Highlight ist nach weiteren vier Segel-Jahren in Norwegen nichts hinzuzufügen.
 

 

Zur Einleitung: Der nördlichste Punkt Europas - oder zählt etwa Grönland zu Europa? - liegt auf einer Insel. Diese Insel heißt Mageröya und wurde erst 1998/99 durch einen Tunnel mit dem Festland verbunden. Der nördlichste Punkt dieser Insel ist ziemlich unscheinbar und heißt Knivskjelsodden (was wortweise übersetzt Messer-Muschel-Huk heißt und recht gut Aussehen und Form beschreibt).

Etwa einen Kilometer südlicher (und zwei Kilometer östlicher) liegt eine unspektakuläre aber immerhin 300 m hohe Felswand, die vor genau 450 Jahren von einem dort gestrandeten englischen Kapitän - also einem Looser - die Bezeichnung North Cape erhielt. Diese Felswand wird heute als Europas nördlichster Punkt vermarktet.

Mageröya ist groß und beeindruckend öde und nur an wenigen Stellen bewohnt. Sie ist zum großen Teil noch heute Sommerweide der samischen Rentiere, die dorthin schwimmen! (Zumindest taten sie das bisher. Die Samen nutzen aber zunehmend Landungsboote zum Transport der Tiere.)

 

 

Fuer diejenigen, die ihren Schulatlas nicht mehr finden: Die gesegelte Strecke ab Havöysund fuehrt "untenrum" durch den Magerøysund nach Honningsvåg.

Nach dem Busausflug zum Nordkapp-Rummelplatz segelte ich zwei Tage später mit den beiden Studenten an Bord "obenrum" zurueck nach Havøysund - mit einem Stopp in Gjesvær (um die beiden an Land zu setzen) und einem weiteren auf der Insel Måsøy.

 

Auf dem Weg zum Nordkapp habe ich in Hammerfest geschrieben:

“Mein Interesse am Nordkapp ist reichlich abgekühlt, nachdem ich in der Lobby des Hammerfest Hotels fast zwei Stunden neben einer Gruppe deutscher Bustouristen saß, die sich - ungelogen und nicht übertrieben - in der ganzen Zeit über nichts anderes unterhielten als die Unterbringung, d.h. die Größe und Lage der Betten (übereinander/nebeneinander) und die Größe der Zimmer (Suite oder Kammer) in den verschiedenen Stationen ihrer Reise. Und das waren keine tumben Prekariater - ich weiß, ein bedingter Pleonasmus - sondern pensionierte Mitarbeiter eines großen und renommierten deutschen Unternehmens! (Renate würde sich das verbitten, oder?)

Dazu kamen zwei Segelboote aus Schweden (13- und 16-Meter-Boote), die das Kapp nur mal so eben abgehakt hatten und mit ihrer Crew die norwegische Küste nur so entlang rauschten.

Wenn also Hammerfest schon nichts anderes als „Da-bin-ich-auch-gewesen“-Touris zu bieten hat, was erwartet mich dann in den bekannten Häfen in der Nähe des Nordkapps?

Die vorweggenommene Antwort: nichts anderes.”

 

 


Nach Oben

 

 

Das Norddkapp “von oben”

 

Zu Folgendem gehört ein einleitender Bericht. Während ich an meinen Internet-Seiten arbeite, vorzugsweise nachts und in der dann stillen Lobby des lokalen Hotels, ergibt sich oft ein Klönschnack mit dem Nachtportier des lokalen Hotels. Hier in Honningsvåg war es ein Jura-Student aus Stamsund, der mir eine Menge interessanter Dinge über diesen schon oft besuchten Ort, also Stamsund auf den Lofoten, berichtete. Morgens um Drei kam seine Freundin hinzu, die von ihrem Job als Ticket-Verkäuferen am Nordkapp zurückkehrte. Nach einer weiteren Stunde Klönen bot sie mir an, mich als Sonder-Gast gratis einzulassen, was mich zunächst nicht besonders interessierte.

Als ich mich am Nachmittag auf Grund des einmalig schönen Wetters nach öffentlichen Bussen zum Nordkapp erkundigte und den für hiesige Verhältnisse niedrigen Preis von 140 NOK (20 Euro hin und zurück) genannt bekam, entschloß ich mich dann doch noch, das Angebot anzunehmen (wie gesagt: 185 NOK) und fuhr um 20:30 zum Kapp. (Tagesbusse dorthin scheint es nicht zu geben.)

 

Das noch leere Nordkapp-Gelände am frühen Abend. Unter der weißen Kugel befindet sich eins von zwei Restaurants. Der eckige Bau daneben beherbergt Postamt (klein) und Andenkenladen (riesig). Der Typ mit dem Arm vorm Gesicht saß mit mir im Bus und behauptete, mit seinem Rad (unter dem Globus) von Rom gekommen zu sein. Warum er dann nicht die letzten 35 km gestrampelt ist, habe ich nicht verstanden.

 

Die Empfangshalle auf dem Nordkapp-Gelände. Hier drinnen befindet sich der Souvenirshop und das Postamt. Alle diese armen Menschen hier drinnen haben schon oder tun es gerade oder werden noch Dutzende von Postkarten schreiben, damit sie den speziellen Nordkapp-Stempel bekommen, nichtsahnend, dass eine Website viel Schreiberei (das ist faustdick gelogen) und Porto ersparen kann. :-)

 

Blick nach Westen vom falschen auf das echte Nordkapp. Diese spitze, flach ins Meer auslaufende Halbinsel ist Knivskjelodden, die Messer-Muschel-Huk. Sie hat die Koordinaten 71° 11,106 N und 25° 40,360 und ist also noch knapp 19° vom Nordpol entfernt. Zum Vergleich: Schätzendorf liegt ca. 18° südlicher. Helsinki und Tallin liegen ein paar Kilometer weiter westlich! Wir passierten diese Landzunge in geziemendem Abstand auf 71° 11,385 N.

 

Blick vom Nordkapp-Gelände nach Osten. Flach im Wasser liegt eine kleine längliche Insel. Dahinter, über dem Horizont und kaum zu erkennen, die Halbinsel Nordkinn, mit den nächsten beiden Haltepunkten der Hurtigrute-Schiffe: Kjölleford und Mehamn. Dort hinten wird es allem Anschein nach unendlich öde. (Luftlinie bis Murmansk 200 sm.) Die deutlich von rechts ins Bild ragende Felswand gehört zur Insel Mageröya.

Zum Luftbild Kinnarodden

 

Das einzig Witzige auf dem Nordkapp-Gelände: diese großen Taler (insgesamt 7(?), etwa mannshoch) stehen in leicht unterschiedlichem Winkel zum Horizont. Etwa alle 20 Minuten arbeitet die niedrig stehende Abendsonne das Profil eines Talers heraus, während die davor liegenden bereits im Dunklen liegen während die stärker geneigten noch platt ausgeleuchtet werden. (Davor steht eine Frau mit Kind, deren Bedeutung mir nicht klar wurde.)

 

Und das ist sie nun: die Mitternachtssonne am Nordkapp! Das Ausrufezeichen ist berechtigt: nach vielen Berichten zu urteilen, haben sie nur Wenige so strahlend gesehen. Entweder werde sie von Wolken oder von Seenebel verdeckt. Kurz vor Mitternacht trafen die letzten der 30 Touristenbusse ein. Das macht rund 1500 Besucher allein aus dieser „Quelle“. Dazu kommen die Besatzungen von knapp 100 Wohnmobilen und ebenso vielen Motorräder. (Pkw waren eindeutig in der Minderheit.) - Alles in allem aber kaum des Geldes und Aufwands wert: die Mitternachtssonne kann man von Dutzenden wenn nicht Hunderten anderer Stellen Norwegens über dem Horizont betrachten. Und weder der miekrige 300 m Felsen noch die Einrichtungen (Restaurants, Balkon, Kapelle, Postamt, Schauräume) machen besonders viel her. Beeindruckend nur das Gedränge und das herrliche Wetter. Und die Ödnis der Insel selbst.

 

Die weißen Flecke auf staksigen Beinen sind Rentiere, von denen es hier im Sommer 5000 geben soll. Der Busfahrer wartet geduldig, bis sie sich von der Fahrbahn trollen.

Von einer Strasse aus betrachtet ist die hügelige Landschaft der Finnmark noch um ein Vielfaches öder als von See aus. Da die Seesicht für mich die normale Perspektive ist, hat sich die Busfahrt allein deshalb schon gelohnt.

 

 


Nach oben

 

 

Das Nordkapp “von unten”

 

Und bevor es mit Bildern weitergeht, ein weiterer Einschub. Nach der Rückkehr an Bord bereitete ich PHINE für die Fahrt ums Nordkapp vor. Ich wollte gegen 2 Uhr ablegen und radelte noch mal schnell zum Hotel mit seinem freundlichen Nachtportier, um mich zu bedanken. Als er feststellte, dass ich noch den ganzen Tag in Honningsvåg geblieben war, bedauerte er, dass wir nicht etwas zusammen gesegelt seien. Da die Wetterprognose bestes Wetter für die kommenden Tage versprach, machte ich das Angebot, ein paar Stunden zu warten und mit ihm bis zu einem Hafen am westlichen Ende von Mageröy, also bei Sonne ums Nordkapp zu segeln. Er war begeistert und bat, auch seine Freundin mitzunehmen. Da diese mir den freien Eintritt verschafft hatte, eine Selbstverständlichkeit. Pünktlich zwanzig nach Sieben standen sie dann am Boot.

 

Der Innen-Hafen von Honningsvåg am frühen Sonntagmorgen des 29. Juni 2003. Im Hintergrund eines der neuesten Hurtigrute-Schiffe. Kurz danach legen wir ab.

 

Mit meinen beiden Gästen May Helen und Vidar auf dem Weg zum Nordkapp. An diesem Tag gab es nur selten ausreichend Wind zum Segeln aber Sonne bis zum Abwinken. May Helen brachte eine kräftige Ladung Pfannkuchen mit, Kaffee und Marmelade gab’s aus der Bordküche.

 

Das Nordkapp von Osten kommend(vorne, 300 m hoch) und dahinter die flach ins Meer auslaufende Halbinsel Knivskjelodden mit dem nördlichsten Punkt Skandinaviens (wegen der Ungewißheit bezüglich Grönland bin ich bescheiden, wahrscheinlich wird es aber schon bald der 52. oder 62. Bundestaat der USA sein und damit jeder Zweifel, ob es noch zu Dänemark gehört, ausgeräumt sein.) - Am linken Bildrand (unter dem Schnee) ist eine Bucht (Hornvika) zu erkennen, in der bis zum Bau der Strasse zum Kapp alle Touristenschiffe ankerten und der Kapitän und seine Mannschaft die hochwohlgeborenen Gäste einen steilen Pfad 300 m zum Plateau hochschaffen mussten. - In dem Geröllabhang links der Bildmitte kann man mit viel Phantasie einen Schatten werfenden Vorsprung erkennen.

 

Der Schatten spendende Vorsprung - direkt von Norden betrachtet - ist eine der wenigen Naturattraktionen auf Mageröy und kommt in allen Prospekten vor - allerdings nicht aus dieser Perspektive. Mehr Fotos war mir das ganze Kapp nicht wert.

 


Wo bleibt das Positive, Herr Kästner?

 

Bevor auch mir diese berühmte Frage gestellt wird, schnell ein Foto aus einem vergriffenen norwegischen Buch: so markant sähe das Nordkapp aus der Luft aus, wenn es das Nordkapp wäre.

Man erkennt deutlich das beeindruckend öde Hochplateau und die vom Wasser gesehen wenig beeindruckende Felswand. Das nächste Mal werde ich der Vollständigkeit halber das Nordkapp umfliegen!

Dieses Foto zeigt in Ermangelung eines Nordkapp-Luftbildes das etwas weiter östlich liegende Kinnarodden nördlich Kjöllefjord, das auf dem Foto “Blick nach Osten” als Hauch am Horizont zu erkennen ist.

 

 


Nach oben

 

 

Gjesvaer

 

##16##Nach 32 Seemeilen in gut 7 Stunden hatten wird den einzigen Hafen im Westen der Insel Mageröy erreicht: Gjesvaer. Dieser Ort soll sich noch im Besitz einer Privatperson befinden, die sich intensiv im Russenhandel (Pomor) betätige. Die beiden grauen Schiffe stammen aus Murmansk. Der Hafen enttäuschte mich maßlos: keine ordentlichen Kaianlagen oder Schwimmstege, fast alle Boote ankern im Hafenbecken oder sind mit vielen den Weg versperrenden Leinen an allen möglichen Punkten befestigt. Das kleine „Touristenzentrum“ war geschlossen, so dass ich mich recht formlos von meinen Gästen verabschieden musste.

 

Gjesvaer. Wichtig im Bild ist nicht die PHINE an einem miesen Kai sondern die alte räudige Katze, die ich erst energisch aus ihrem Schlummer reißen mußte. So wirkte auf mich dieser Hafen und Ort, nachdem mich auch noch der Skipper des Ausflugsschiffes (350 NOK oder 45 Euro für 3 Seemeilen zu den vorgelagerten Vogelinseln ganz im Hintergrund) auf die Frage nach einem möglichen Liegeplatz blöde angeranzt hatte. Also nichts wie weg und zurück zu dem freundlichen Havöysund.

 

 

 

Nordkapp-Fazit

 

Gelohnt hat sich’s schon, besonders wegen des herrlichen Wetters. Den Menschen, die in dieser unwirtlichen und abgeschiedenen Gegend leben müssen, gönne ich das Geld der Touristenschwemme in den kurzen Sommermonaten. Aber ein Hit - etwa wie der Prekestolen bei Stavanger oder der Kirkefjord bei Reine auf den Lofoten - ist es in meinen Augen nicht.

Zur Schreibweise norwegischer Namen für eine sorgfältige Leserin:

manchmal steht Mageröy und manchmal Mageröya. Das „a“ am Ende ist nichts anderes als der norwegische bestimmte Artikel „die“. Also: „Mageröya“ = „die Mager-Insel“ - „Mageröy“ = „Mager-Insel“. Bei Sätzen wie „wir sind auf der Mageröya“ sträuben sich bei mir die Haare, weil ich im Geiste lese: „wir sind auf der die Magerinsel“.

Norwegisch „mager“ ist tatsächlich deutsch „mager“ und bezeichnet treffend die Kargheit der Insel.
 

 

 

 

 

 

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